
Globalisierung Handelskonflikte Reformen
Endet die Erfolgsstory?
Die Rivalität zwischen China und den USA ist eine Dauerbelastung für den freien Welthandel. Mit der Corona-Pandemie wurden weitere Schwachstellen der globalen Wertschöpfung offensichtlich. Was sind die Auswirkungen? Gibt es Alternativen?
Deutschland im März 2020: Hamsterkäufe in Supermärkten. Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln aus China und Indien. Produktionsstopp bei vielen Industriebetrieben wegen Lieferschwierigkeiten. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie störungsanfällig die globalen Wertschöpfungs- und Handelsketten im Krisenfall sind. „Die Globalisierung ist nicht nur wegen der durch die Pandemie offenbarten Anfälligkeit globaler Fertigungsketten unter Druck geraten, sondern auch weil sie in mancher Hinsicht eine unglaubliche Erfolgsgeschichte war“, lautet die These des Bonner Soziologieprofessors Erich Weede in einem Gastbeitrag für die FAZ. Das mutet zunächst paradox an. Tatsache ist, dass durch die Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten Hunderte Millionen Menschen aus größter Armut befreit wurden. Selbst in den Entwicklungsländern konnte der Lebensstandard insgesamt gesteigert werden. Durch den freien Handel wurde Wohlstand geschaffen, und ganz nebenbei warf die wirtschaftliche Freiheit in vielen Teilen der Welt auch noch eine Friedensdividende ab.
Wachsender Globalisierungsskeptizismus
Doch es gab auch Verlierer. In der Folge wuchs besonders in den Industrienationen der Kapitalismus- und Globalisierungsskeptizismus. Vielfach wurde dabei verkannt, wie Prof. Weede schließt, dass nicht nur die asiatische Konkurrenz, sondern wahrscheinlich in noch größerem Ausmaß der technologische Wandel verantwortlich war für Arbeitsplatzverluste und in vielen Ländern auch für annähernd stagnierende Einkommen.
„Nennenswerte positive Beschäftigungseffekte sind nicht zu erkennen.“

Eine Rolle spielt außerdem, dass China mit der Globalisierung nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch zu einer neuen Weltmacht und zum Hauptkonkurrenten der USA heranwuchs. Die USA arbeiten seit Längerem dagegen. An die Spitze stellte sich der inzwischen scheidende US-Präsident Donald Trump, dessen „America First“-Agenda darauf abzielte, die amerikanische von der chinesischen Volkswirtschaft zu entkoppeln. Doch nicht nur den Chinesen wird der Marktzugang erschwert, sondern zunehmend auch den unliebsamen wirtschaftlich erfolgreichen verbündeten Europäern und Japanern. Diese Politik hatte spürbare Folgen. Zunächst in den Schwellenländern, die ohnehin mit dem Verfall von Rohstoffpreisen zu kämpfen haben, und aus denen während der Coronakrise so viele Investitionen abgezogen wurden wie nie zuvor.
Es gibt keine Gewinner
Doch die US-Bilanz von Trumps Protektionismus und seiner unilateralistischen Politik fiel bereits vor der Coronakrise negativ aus. So stellte die Deutsche Bundesbank im Januar 2020 in einer Studie fest: „Alles in allem deuten die Befunde darauf hin, dass die USA von den in der jüngeren Zeit ergriffenen handelspolitischen Maßnahmen bisher nicht profitieren konnten. Vielmehr dürfte insbesondere infolge des Handelskonflikts mit China die gesamtwirtschaftliche Produktion in den USA etwas gedämpft und der Preisauftrieb auf der Verbraucherstufe tendenziell verstärkt worden sein. Nennenswerte positive Beschäftigungseffekte sind nicht zu erkennen.“
Die WTO reformieren
Zu der protektionistisch-nationalistischen Politik der Globalisierungsgegner, die wirtschaftlich eine eher schlechte Bilanz erzielte, gibt es durchaus Alternativen. So könnten etwa die Regeln des Handelssystems über die Welthandelsorganisation (WTO) gestärkt werden. Allerdings steht die WTO in der jüngeren Vergangenheit selbst in die Kritik. In der Folge entzogen die USA der Welthandelsorganisation faktisch ihre Unterstützung.
Ironischerweise berauben sich die USA durch eine weitere Demontage der WTO ihrer rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung eines globalisierten Freihandels, von dem alle Seiten profitieren sollten. Vor diesem Hintergrund fordert Bernd Lange als Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel (INTA): „Die verbleibenden 163 Mitglieder müssen einen gemeinsamen Weg einschlagen, notfalls muss man die Zukunft der WTO ohne die USA gestalten. Das ist wenig wünschenswert, aber keine Option, die man ausschließen darf.“ Zudem merkt Lange an, dass Handel heutzutage nicht mehr zwischen einzelnen Staaten stattfindet, sondern in globalisierten Wertschöpfungsketten. „Ganze 70 Prozent des grenzüberschreitenden Handels sind heute Teil von Fertigungsketten und keine Endprodukte“, so Lange. Was zurück zu den Schwachstellen der Lieferketten führt, die von der Corona-Pandemie offengelegt wurden.
Dieses voll funktionsfähige Symbol globaler Zusammenarbeit könnte Ihnen gehören.
Dafür bitten wir nur um Ihre Meinung zum Weitwinkel.
Was gefällt Ihnen? Was fehlt oder ließe sich noch verbessern? Schreiben Sie uns an weitwinkel@union-investment.de. Unter allen E-Mails, die uns bis zum 1. 2 .2021 erreichen, verlosen wir die Kuckucksuhr vom Weitwinkel-Cover. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.
Veranstalter des Gewinnspiels ist die Union Investment Institutional GmbH. Die Mitarbeiter von Union Investment sind von der Teilnahme ausgenommen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Ein Trend seit der Finanzkrise
Eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) zeigt, in welchem Maße die Bundesrepublik der große ökonomische Verlierer einer Deglobalisierung wäre. Kaum eine Volkswirtschaft profitiert so stark von effizienten Lieferketten wie Deutschland. Bemerkenswerterweise haben deutsche Unternehmen gute Vorarbeit geleistet und schon seit der Finanzkrise von 2008 zunehmend ihre Lieferketten verkürzt. Laut der IW-Analyse kommt inzwischen der Großteil der nach Deutschland importierten Vorprodukte nicht mehr aus Fernost, sondern aus der unmittelbaren europäischen Nachbarschaft.
Die Ursachen dafür liegen nicht allein im zunehmenden Protektionismus und zuletzt in der Covid-19-Pandemie begründet. Den Trend gibt es schon länger. Ursächlicher Auslöser ist der Wandel der sich entwickelnden Emerging Markets wie China. Wie die westlichen Industrienationen verändern sich nämlich auch die erfolgreichen Schwellenländer von kapitalintensiven Industriegesellschaften zu Dienstleistungsgesellschaften, die einen zunehmend geringeren Bedarf an Maschinen und Anlagen haben und dagegen immer mehr digitale Dienstleistungen nachfragen. Das hat Auswirkungen auf die deutsche Exportwirtschaft: Statt Maschinen und Anlagen „made in Germany“ werden zunehmend Lösungen für E-Commerce, künstliche Intelligenz oder 3-D-Druck nachgefragt. Diesem Bedarf muss auch die deutsche Wirtschaft zunehmend Rechnung tragen und sich darauf ausrichten ‒ ob durch die Erschließung neuer Märkte, die Entwicklung neuer Produkte oder einen stärkeren Fokus auf den Binnenmarkt.
Die globalisierte Welt, so wie wir sie in den vergangenen Jahrzehnten kennengelernt haben, steht vor einer bedeutsamen Restrukturierung der weltwirtschaftlichen Handels- und Investitionsverflechtungen. In welche Richtung sie sich entwickeln wird, wird nicht allein von einem neuen US-Präsidenten Joe Biden bestimmt werden.
Wenn Sie tiefer in die Materie eintauchen wollen, können Sie unter folgenden Links weiterlesen: