
Digitalisierung Gesellschaft Chancen
Guter Roboter? Böser Roboter?
Die künstliche Intelligenz hat in der vergangenen Dekade den Sprung zu selbstlernenden Computern geschafft. Was macht diese Roboterrevolution mit unseren Gesellschaften? Wer sind die Gewinner und die Verlierer?
Der 11. Mai 1997 markierte eine Zeitenwende im Verhältnis Mensch und Maschine. Denn an diesem Tag gelang es erstmals einer Maschine, dem IBM-Computer Deep Blue, den russischen Schachweltmeister Garri Kasparow in New York im „Spiel der Könige“ zu schlagen. Lange galt Schach selbst für die schnellsten Maschinen als zu komplex, um alle möglichen Varianten zu berechnen. Doch das IBM-Team hatte die Leistungsfähigkeit von Deep Blue gesteigert. Der Rechner war so in der Lage, bis zu 200 Millionen potenzielle Positionen in einer Sekunde zu analysieren. Das war selbst für ein Superhirn wie Kasparow zu viel.
Kränkung der Menschheit
Mit dem verlorenen Turnier von 1997 wurde eine menschliche Grundangst geweckt, nämlich dass Maschinen den Menschen nicht nur in Kraft und Ausdauer übertreffen, sondern ihm auch durch ihre künstliche Intelligenz (KI) überlegen sein könnten. Mit zunehmender Digitalisierung und einer immer stärkeren KI beginnen Roboter, unsere Gesellschaft und die Arbeit in vielen Branchen tief greifend zu verändern.
Die Entscheidung aber, ob der Siegeszug der KI das Beste oder Schlechteste ist, was der Menschheit widerfährt, liege in der Hand der Menschen selbst, sagte der im März 2018 verstorbene Astrophysiker Stephen Hawking. Einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom zufolge sind die Deutschen in dieser Frage zwiegespalten. Die eine Hälfte sieht künstliche Intelligenz eher als Gefahr, die andere eher als Chance.
Wovon träumen Androiden?
KI war und ist seit Langem in Literatur und Film ein Sujet für Science-Fiction-Fantasien. Festzuhalten bleibt jedoch, dass KI und ihre Technik der statistischen Analyse – zumindest bislang – nicht in der Lage sind, eigene Ambitionen und Interessen zu verfolgen, oder ganz menschlich gar zu täuschen oder zu lügen. „Künstliche Intelligenz sollte uns nicht mehr Angst machen als Statistik“, ist Lorena Jaume-Palasí überzeugt. Für Palasí, Mitglied des Weisenrats künstliche Intelligenz und Datenpolitik der spanischen Regierung, bedeute das jedoch nicht, dass KI ganz und gar harmlos sei. Je nach Programmierung können Daten und Algorithmen für Maschinen ihre eigene Logik haben. Was passiert etwa, wenn ein Computerprogramm in einem atomaren Präventivschlag die beste Strategie sehen sollte? Tesla- und Space X-Chef Elon Musk warnt dementsprechend, dass unkontrollierbare KI die wohl größte Gefahr für die Menschheit darstelle. Daher gibt es inzwischen eine breite Diskussion, ob die KI reguliert und gesetzlich reglementiert werden sollte.

Das US-Start-up Affectiva hat eine künstliche Intelligenz mit einer Datenbank von über sechs Millionen Gesichtern unterschiedlichster Ethnien und Nationalitäten programmiert, um menschliche Emotionen zu erkennen. Die sogenannte Emotion KI analysiert die menschliche Mimik. Als Indikatoren dienen Augen- und Mundbewegungen, Blickrichtungen und Anspannungen der Gesichtsmuskulatur, sie werden in Punkte aufgelöst und dann ausgewertet. Noch sind die Ergebnisse eher ernüchternd: Ein und derselbe durch Mimik gezeigte Gefühlsausbruch wird von der KI manchmal gegensätzlich interpretiert.
Künstliche Intelligenz sollte uns nicht mehr Angst machen als Statistik.

Die Voraussetzung für Industrie 4.0
Jede neue Maschinengeneration weckt auch Ängste um den Arbeitsplatz. Und das schon sehr lange. Heute ist die vernetzte industrielle Fertigung, besser bekannt als Industrie 4.0, das Feld, in dem KI nach Meinung vieler Experten künftig eine zentrale Rolle spielen wird. Das Ziel sind dabei sogenannte „Smart Factories“, in denen weitgehend selbststeuernde Maschinen einen Großteil der Produktion und Logistik übernehmen.
Für Technologieunternehmen wie die japanische Fanuc, einem der weltweit führenden Hersteller in der Fabrikautomatisierung und Robotertechnologie, ist dies keine Zukunftsmusik, sondern Tagesgeschäft. „Große Hoffnungen setzen wir auf kollaborative Roboter, die ‚Hand in Hand‘ mit Menschen arbeiten können. Wenn solche Roboter das ‚Internet of Things‘, Sensoren und andere Instrumente optimal nutzen und die gesammelten Informationen mithilfe von KI verarbeiten können, wird die Automatisierung in den Fabriken noch einmal deutlich ausgeweitet werden“, schätzt Shinichi Tanzawa, CEO bei Fanuc Europe.

ist seit 1. September 2016 Präsident und CEO der Fanuc Europe Corporation. In dieser Funktion ist er verantwortlich für alle europäischen Aktivitäten des japanischen Weltmarktführers für Fabrikautomatisierung und Robotertechnologie.
Veränderungen in den Bereichen „Blue“ und „White Collar“
Doch während im Industriezeitalter vor allem die Arbeiter betroffen waren, wird im Informationszeitalter eine immer leistungsfähigere künstliche Intelligenz zunehmend auch Einzug im Dienstleistungssektor und im Bürobetrieb halten. „Fast jeder Job, an dem jemand vor einem Bildschirm sitzt und Informationen verarbeitet, ist bedroht“, unkt der US-Autor Martin Ford. Die Unternehmensberatung Boston Consulting rechnet, dass allein in Deutschland knapp acht Millionen Beschäftigte bis zum Jahr 2025 von der Automatisierung betroffen sein werden. Mehr als 60 Prozent davon sind Fachkräfte. Betroffen zu sein bedeutet in vielen Fällen allerdings nicht automatisch Arbeitslosigkeit, sondern dass sich das Jobprofil ändern wird. So müssen Roboter nicht nur von Menschen programmiert, sondern auch von Menschen gewartet werden.
Risiken und Chancen einer disruptiven Technologie
Als sogenannte disruptive Technologie hat die KI das Potenzial, Arbeitsplätze zu vernichten und neue zu schaffen. Alte Geschäftsmodelle werden infrage gestellt, ganze Branchen könnten verschwinden und neue entstehen. Forscher des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) haben etwa untersucht, wo deutsche Unternehmen bisher vernetzte Produktionstechnologien eingesetzt haben – und wie sich das auf die Zahl der Jobs insgesamt ausgewirkt hat. Zu den Erkenntnissen der ZEW-Studie zählt, dass die Investitionen in neue Technologien weitere Prozesse in Gang gesetzt haben, die sich wiederum positiv auf die Zahl der Beschäftigten auswirken. Der Einsatz von Hightech hat viele Unternehmen wettbewerbsfähiger gemacht. Sie können zu günstigeren Preisen größere Mengen produzieren. Aus diesem Grund werden mitunter an anderen Positionen mehr Leute angestellt. Hinzu kommt, was die ZEW-Forscher „Multiplikator-Effekt“ nennen: Mitarbeiter und Anteilseigner der produktiveren Firmen haben mehr Geld zur Verfügung und geben es aus. Das schafft an anderen Stellen der Wirtschaft Jobs. Allerdings unterscheiden sich die Auswirkungen je nach Branche deutlich.
der Jobs in den USA sind Tätigkeiten, die es vor einem Vierteljahrhundert noch gar nicht gab.
Schluss mit „roboten“
Es ist absehbar, dass die meisten Menschen, die heutzutage in Produktion und Servicejobs arbeiten, künftig neue Fähigkeiten erwerben müssen. Im Ergebnis könnte die Roboterrevolution also zu einer Transformation des Bedarfs an Kompetenzen führen. Doch der Mensch bleibt auch im Informationszeitalter unersetzlich. Prof. Stuart Russell, der an der Berkeley-Universität in Kalifornien über künstliche Intelligenz forscht, sieht menschliche Arbeit und Kreativität durch die KI sogar aufgewertet: „Damit kommen wir endlich weg davon, Menschen als Roboter zu nutzen, wie wir es seit 200 Jahren tun.“
Wenn Sie tiefer in die Materie eintauchen wollen, können Sie unter folgenden Links weiterlesen: